KUNSTPREIS DER STADT LIMBURG
Nassauische Neue Presse / Frankfurter Neue Presse vom 18.9.2017
Kunstpreis für „ZeitSprünge“
Werke zwischen Foto und Film
Limburg. Die Zeit als vierte Dimension gibt es in den Werken des Potsdamer Künstlerehepaares Koschies in den Limburger Kunstsammlungen zu entdecken. Das Paar wurde mit dem mit 5000 Euro dotierten Kunstpreis ausgezeichnet.
Wie fängt man für alle sichtbar die Zeit ein? „Durch einen Schlitz“, lautet die Antwort der Gewinner des Kunstpreises, dem Künstlerpaare Koschies aus Potsdam. Ihre Ausstellung „ZeitSprünge“ ist bis zum 12. November in den Kunstsammlungen der Stadt Limburg zu sehen.
Die Besucher erwarten Bilder, die weder ganz der Fotografie noch dem Film zugeordnet werden können, sondern eine Position irgendwo dazwischen einnehmen. Das Geheimnis liegt in der ungewöhnlichen Aufnahmetechnik. Denn anstatt mit einer Kamera zu arbeiten, die nach dem Prinzip „Klappe auf, Klappe zu“ nur einen Moment einfängt, haben sich Axel und Birgit Koschies etwas völlig anderes einfallen lassen. Sie verwenden eine Kamera ohne Verschluss.
Ganze Zeitläufe auf einem Bild
Vorne ist eine Optik, hinter der ein haarfeiner, immer geöffneter Schlitz steckt. Hinter diesem Schlitz wird in einer permanenten Bewegung ein Film durchgejagt, der dank des fehlenden Verschlusses durchgehend belichtet wird. Eingefangen wird auf diese Weise nicht nur ein einziger Moment, sondern eine ganzer Zeitablauf. Ein beliebtes Motiv des Paares sind laufende Menschen.
Grundvoraussetzung für den Erfolg der Aufnahmen ist es, dass die Laufgeschwindigkeit des „Models“ identisch mit der Filmgeschwindigkeit ist. Stimmt die Geschwindigkeit nicht überein, werden die Gliedmaßen auf dem Bild unnatürlich verformt. Entsprechend hoch ist der bei den Aufnahmen anfallende Ausschuss. Die Arbeitsweise ist eher filmisch; er schreibt das Drehbuch, sie kümmert sich um die Kamera. Regie führen sie beide; entsprechend lebhaft kann sich das Miteinander hinter der Kamera gestalten.
Die ältesten Aufnahmen finden sich im ältesten Gebäudeteil der Kunstsammlungen. Das Jahr 1990 (Foto: The Medium is the Passage) trifft auf das Jahr 1350 (Eingangshalle). Passenderweise sind die dort ausgestellten Fotos schwarz-weiß. Farbig wird es dann mit dem Übergang in die Nachbarhalle. Dort hängen die Arbeiten zum Thema „Running Direction“. Auf dem Bild „Wave“ (2011) sieht es so aus, als würden vier Männer eine Wellenbewegung ausführen. In Wirklichkeit handelt es sich um ein und denselben Mann, der im Zickzack direkt auf die Kamera zuläuft.
Bunt bleibt es auch im Obergeschoss: Dort hängt das Werk „Augenlicht“ (2015). Auch dort täuscht der erste Eindruck: Denn was auf den ersten Blick wie mehrere Eichenzweige aussieht, ist tatsächlich nur ein einziger Ast, der durch den Sturm mehrfach am Schlitz vorbei gepeitscht wird.
Weder Fotografie noch Film: Das Künstlerpaar Koschies aus Potsdam bei der Eröffnung ihrer Ausstellung „ZeitSprünge“ in der Limburger Kunstgalerie. Foto: Johannes Koenig
Aufgeklappte Köpfe beziehungsweise Rundumportraits bilden auf der Empore schließlich den Schlusspunkt der Ausstellung. „Eine besondere Ausstellung, das ist schon auf den ersten Blick zu bemerken. Sehr beeindruckende Arbeiten“, sagt Bürgermeister Dr. Marius Hahn bei der Preisverleihung. Er könne die Entscheidung der Jury, die sich unter vielen Bewerbungen für den unter dem Motto „ZeitSprünge“ ausgeschriebenen Wettbewerb einstimmig für Koschies als Preisträger ausgesprochen hat, sehr gut nachvollziehen.
In der Bewertung der Juroren Irene Rörig (Leiterin des Kulturamtes der Stadt), Professor Eckhard Kremers (Künstler), Dr. Gabriel Hefele (Kunsthistoriker), André Kramm (Vorsitzender Förderkreis Bildende Kunst Limburg) und Johannes Bröckers (Journalist) heißt es unter anderem: Das Ergebnis sind faszinierende Zeitsprünge von besonderem Reiz, deren Rätselhaftigkeit die Phantasie ebenso herausfordert wie den Verstand.
Anette Kretschmar, stellvertretende Vorsitzende des Förderkreises Bildende Kunst, neben der Stadt Ausrichter des von der Kreissparkasse geförderten Kunstpreises, forderte die Gäste dazu auf, sich Zeit beim Betrachten der Arbeiten zu nehmen. Es sind Bilder, die einen zweiten, dritten oder vierten Blick nötig machen – und selbst dann bleibt noch vieles unentdeckt.
Dr. Johannes Koenig